Demonstration: Mehr Geld für die Betreuung der Kleinsten

WAZ. Für bessere Rahmenbedingungen in Kitas gingen mehrere tausend Menschen in Bochum auf die Straße. Sie kritisieren das Kinderbildungsgesetz.

Anstelle von trinklustigen Besuchern war das Bermudadreieck am Samstagmorgen gefüllt mit Kindern, ihren Eltern und Erwachsenen in Warnwesten. Den regnerischen Umständen zum Trotz haben sich laut Veranstaltern mehr als 3500 kleine und große Menschen versammelt, um für bessere Rahmenbedingungen in Kindertagesstätten zu protestieren.

Unter dem Motto „Es geht um mehr als Knete“ haben die evangelischen Kindergärten zu einer Menschenkette durch die Bochumer Innenstadt aufgerufen. Diese startete an der KAP-Bühne und verlief am Ring entlang, bis sich die Hände im Bermudadreieck wieder berührten. „Unsere Menschenkette war 2,8 Kilometer lang“, sagt Michael Both, Geschäftsführer der Kindergartengemeinschaft im Evangelischen Kirchenkreis Bochum.

Ein Jahr haben die Vorbereitungen für diesen Tag gedauert, der mit einem Bühnenprogramm und abschließender Diskussion mit Politikern einen runden Abschluss fand. „Bisher wurden die Interessen der Angestellten und der Träger gegeneinander gestellt. Heute wollen wir einen Schulterschluss erreichen und ein Signal an die Politik senden“, sagt Both.

Konkret richten sich die Forderungen der Demonstranten gegen das Kinderbildungsgesetz, kurz Kibiz, das vor zehn Jahren beschlossen wurde und zur frühen Bildung und Förderung der Kleinsten beitragen sollte. Das Gesetz sei gut gemeint, doch schlecht umgesetzt, findet Claudia Sperlich, Erzieherin in der Kinderwerkstatt, einer der ältesten Elterninitiative Bochums. Seit 27 Jahren arbeitet sie als Erzieherin. „Kibiz hat uns nichts Gutes gebracht. Früher wurde spitz abgerechnet, heute bekommen die Kindergärten Kostenpauschalen, die pro Kopf angerechnet werden“, sagt sie. Mit dem Geld könnten weder qualifizierte Kräfte anständig bezahlt werden noch bleiben Mittel für Extrakosten übrig. „Die Kitas verkommen zum Wirtschaftsunternehmen auf Kosten der Kinder“, findet Sperlich.

Dass Kibiz Qualität verlangt, die so nicht finanzierbar sei, findet auch die Kita-Leiterin Stefanie Schönfeld. In der Diskussionsrunde mit Carina Gödecke, Vizepräsidentin im Landtag, Marcel Hafke, Sprecher für Familie, Kinder und Jugend der FDP-Landtagsfraktion NRW, Vertretern kirchlicher Träger, des Jugendamtes und der Wissenschaft erklärt sie das Chaos in den Kitas, das eine Gesetzesreform beseitigen soll. „Ohne Bindung keine Bildung“, sagte Fachberaterin der Kindertageseinrichtungen im evangelischen Kirchenkreis Bochum Dagmar Reuter.

Statt bürokratischem Aufwand und Haushaltsaufgaben müssten die Erzieherinnen wieder Zeit für individuelle Kindesförderung haben. Hafke, dessen Partei seit Kurzem gemeinsam mit der CDU die Landesregierung bildet, versprach ein Kita-Rettungspaket in Höhe eines „hohen dreistelligen Millionenbetrages“, damit von Schließung bedrohte Kindergärten ihre Arbeit fortsetzen könnten. Bis Anfang August 2019 soll ein neues Finanzierungsgesetz auf den Weg gebracht werden.

Prof. Christina Jasmund von der Hochschule Niederrhein, die ebenso an der Diskussionsrunde teilnahm, führte eine Studie zu Rahmenbedingungen in Kitas durch.

In der aktuellen wissenschaftlichen Studie der Hochschule Zukunft.Kita@NRW stellt sie heraus, dass die Kindertagesstätten unter „nicht auskömmlichen Bedingungen“ arbeiten.

Sie arbeitet heraus, dass Kitas im Vergleich zu den vorhandenen Mitteln das Doppelte an finanziellem Budget bräuchten, um moderne, pädagogische Standards zu erfüllen.

WAZ-Bericht von Irene Allerborn